Antichrist - Filmkritik & Bewertung (2025)

  • 10.02.2018
  • Jeff Clark
  • 6 Kommentare

Melancholisch poetischer Bilderrausch, der kontroversesten Art. Antichrist ist ein außergewöhnliches Kunstwerk, was sich wohl am besten mit dem Wort „Mindfuck“ beschreiben lässt.

TitelAntichrist
Jahr2009
LandDenmark
RegieLars von Trier
GenresDrama, Horror, Thriller
DarstellerWillem Dafoe, Charlotte Gainsbourg, Storm Acheche Sahlstrøm
Länge108 Minuten
Wer streamt?Kaufen: Google Play Movies, YouTube, Videobuster
Leihen: Google Play Movies, YouTube, Videobuster

Story:

Ein namenloses Paar (Willem Dafoe und Charlotte Gainsbourg), gibt sich untermalt von klassischer Symphonie ihrer Leidenschaft hin. Während des Geschlechtsakts, stürzt ihr gemeinsamer Sohn Nic, der das Paar kurz zuvor dabei beobachtete, aus dem Fenster und stirbt. Der Verlust des Sohnes, reißt die Mutter in zunehmende Selbstvorwürfe und Depressionen, die schließlich in einem Nervenzusammenbruch enden.

Ihr Mann, selbst ein Psychologe, versucht seine Gattin im Rahmen einer Konfrontationstherapie zu behandeln. Zu diesem Zweck, zieht sich das Paar in die Einsamkeit der Waldhütte „Eden“ zurück. Es ist jener Ort, wo Sie zuvor den Sommer mit ihrem Sohn verbrachte, um sich ihrer Dissertation über Hexenverfolgung zu widmen. Dem Ehegatten ist zwar bewusst, das seine Rolle als behandelnder Psychologe zu persönlich ist, dennoch beginnt er mit der Therapie. Eine Entscheidung, die für das Paar verheerende Konsequenzen hat. Die idyllische Zweisamkeit, mündet unkontrollierbar in unvorstellbare menschliche Abgründe, die sich in der Stille der Natur wohl nur als „Satans Kirche“ bezeichnen lassen.

Hinetergrund:

Antichrist ist das umstrittene Werk des dänischen Filmemachers Lars von Trier (Melancholia). Er ist unter anderem für seinen ebenso kunstvollen, wie kontroversen Filmstil bekannt. Aufgrund der expliziten Darstellung von Sexualität und Gewalt, geriet das Werk schnell in die Schlagzeilen und bescherte Antichrist den Ruf als besonders frauenfeindlichen Skandalfilm. Da von Trier nach eigenen Aussagen seit frühester Kindheit an Depressionen und Phobien leidet, erlaubte es ihm seine seelische Verfassung nicht, die Aufnahmen ohne Zittern zu bewerkstelligen. Deshalb übernahm der britische Kameramann Anthony Dod Mantle (Der letzte König von Schottland) die Kameraführung. Dabei wurden die Aufnahmen für Antichrist größtenteils bei Eitorf im Siegtal gedreht.

Kritik:

Machen wir uns bereits im Vorfeld am besten nichts vor, Antichrist ein klares Abbild zu verschaffen, käme ungefähr dem unwiderlegbaren Beweis einer Hölle gleich. Dieser Film schafft das unmögliche, nämlich einem roten Faden zu folgen, ohne diesen jedoch für den Zuschauer klar sichtbar zu machen. Eventuell versteht und verarbeitet man das Gesehene, kann es aber schwer in eigene Worte fassen. Man bekommt das Gefühl, vor einem bizarren Kunstwerk zu stehen, was in Bildern spricht, aber keine wörtliche Deutung zulässt. Und letztlich muss man gestehen, dass es eben jener nicht eindeutige mystische Reiz ist, der einem Film wie Antichrist auszeichnet.

Die vier Wegweiser:

Lars von Tier lässt seine Zuschauer jedoch nicht gänzlich im Regen stehen. Die Dramaturgie des Geschehens wird in vier unterschiedliche Kapitel unterteilt. Dabei handelt es sich um die Abschnitte Trauer, Schmerz, Verzweiflung und Die Drei Bettler. Jedes Kapitel erfüllt dabei einen bestimmten Zweck. Während sich der Film nach dem Prolog sehr stark mit der Figur der Frau und dessen schmerzhaften Verlust auseinandersetzt, drängt sich im Folgekapitel die Natur mit ihrer feindseligen und unwirklichen Seite in den Blickpunkt. Dabei gilt es besonders auf gewisse Parallelen zu unserem Paar zu achten, die langsam aber sicher das unsagbare Grauen einläuten. So zum Beispiel die Totgeburt eines Rehs, oder ein aus dem Nest fallendes Vogelkücken, dessen toter Körper letztlich vom elterlichen Vogel verspeist wird. Das mögen zwar nur dramaturgische Puzzlestücke sein, sie sind jedoch enorm wichtig, um den künstlerischen Aspekt des Films besser zu verstehen.

Von dunkler Pose und eindrucksvollen Bildern.

Lars von Trier macht bereits in der Eröffnungssequenz deutlich, das Antichrist nicht vom Minimalismus lebt. Geradezu sinnlich poetische, in Low Motion gedrehte schwarz-weiß Aufnahmen, werden mit der Arie „Lascia ch’io pianga“, aus Rinaldo, eindrucksvoll unterlegt. Im weiteren Verlauf wird dann zwar weitgehend auf musikalische Untermalung verzichtet, die fantastische Zeitlupen-Kameraführung, bleibt aber auch im weiteren Verlauf großteils bestehen.

Man bekommt hier Aufnahmen aus allerhand ungewöhnlicher Blickwinkel zu sehen. So etwa aus einem Fuchsbau heraus, aus der Vogelperspektive, oder generell stark stilisierte Aufnahmen, bei der Darstellung des Waldes. Das ganze wirkt dabei sowohl von düster und unheimlicher Natur, als auch von bedrohlicher und surrealer. Dafür sorgt eine stark verfälschte und überwiegend auf trübe Graublau und Grüntöne reduzierte Naturumgebung, mit passender Geräuschkulisse.

Von Sex und Gewalt:

Natürlich darf man bei all den künstlerischen Symbiosen, nicht das beklemmende Psychodrama im Mittelpunkt vergessen. Hier muss man das auf lediglich zwei Charaktere reduzierte Kammerspiel geradezu in den Himmel hinauf loben. Willem Dafoe und Charlotte Gainsbourg geben ohne viel Worte eine erstaunliche Performance und wissen mit einer ebenso freizügigen, wie gewaltbereiten Körpersprache zu überzeugen. Auch wenn der Film weitläufig von seiner düsteren Atmosphäre lebt, so muss man klar sagen, dass das ganze in einem Finale kulminiert, für das sich kaum Worte finden lassen. Kompromissloser und gleichzeitig sexistischer, wird man so etwas wohl kaum noch einmal auf der großen Leinwand zur Gesicht bekommen. Auch wenn hier Lars von Trier für die extremsten Szenen auf professionelle Pornodarsteller zurück griff, überzeugen die beiden Hauptakteure auf ganzer Linie. Respekt!

Fazit:

Überaus kunstvoll bebilderter Alptraum in menschliche Abgründe. Antichrist erweist sich als etwas, was man so nicht erwarten würde. Von einem klar strukturierten, okkultem Horrorfilm a la „Omen“ und co, sollte man jedenfalls schon mal gleich Abschied nehmen. Von Trier’s Antichrist tickt völlig anders und der Däne verpasst dem titelgebenden Bösen ein ebenso künstlerisches, wie freizügiges, gewalttätiges und letztlich undurchsichtiges Gesicht. Das Ergebnis sitzt jedenfalls wie ein Faustschlag und dürfte noch lange zum nachdenken anregen.

© 2018 ASCOT ELITE Filmverleih GmbH

Neues im Magazin

  • Filme

Back in Action

  • 17.01.2025
  • Jan Werner

Call it a Comeback! In den Nullerjahren war Cameron Diaz ein Mega-Star und Erfolgsgarantin, dann zog sich die Verrückt-nach-Mary-Darstellerin von

Weiterlesen

  • Serien

Dexter: Original Sin

  • 16.01.2025
  • Kenan Hasic

Paramount setzt seinen Versuch fort, aus der Serienikone Dexter ein großes Franchise zu entwickeln. Nach der Sequel-Serie New Blood widmet

Weiterlesen

  • Filme

Criminal Squad 2

  • 16.01.2025
  • Louis Kiehl

Gerard Butler hat es inzwischen zu einer Art Kultfigur geschafft. Mit Criminal Squad 2 jedoch schlüpft er zum zweiten Mal

Weiterlesen

Alle Artikel anschauen

Antichrist - Filmkritik & Bewertung (2025)
Top Articles
Latest Posts
Recommended Articles
Article information

Author: Reed Wilderman

Last Updated:

Views: 5940

Rating: 4.1 / 5 (52 voted)

Reviews: 91% of readers found this page helpful

Author information

Name: Reed Wilderman

Birthday: 1992-06-14

Address: 998 Estell Village, Lake Oscarberg, SD 48713-6877

Phone: +21813267449721

Job: Technology Engineer

Hobby: Swimming, Do it yourself, Beekeeping, Lapidary, Cosplaying, Hiking, Graffiti

Introduction: My name is Reed Wilderman, I am a faithful, bright, lucky, adventurous, lively, rich, vast person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.